Pharmakognostische Sammlung
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Pharmakognostische Sammlung

Das Institut für Medizingeschichte der Universität Bern verwaltet nicht nur die Objekte der Inselspital-Sammlung. Neben einer Mikroskop- und Brillensammlung pflegt es auch eine pharmakognostische Sammlung mit fast 2500 inventarisierten Rohstoffdrogen. Was ist Pharmakognosie? Der Begriff «Pharmakognosie» ist heute weitgehend unbekannt. Dabei bezeichnet er die Lehre von den pharmazeutischen Drogen. Im 19. Jahrhundert entstehen an vielen Orten pharmakognostische Sammlungen. Diese stehen einerseits in der Tradition des wissenschaftlichen Sammelns und sind andererseits eng mit der Verwissenschaftlichung und Professionalisierung des Apothekerwesens verbunden. Die Anfänge der Berner Sammlung Nach 1800 beginnen angehende Apotheker an Universitäten zu studieren, und die ersten Sammlungen entstehen – vor allem für Lehrzwecke. Auch die Berner Sammlung ist mit der akademischen Ausbildung verknüpft. Seit dem späten 18. Jahrhundert gibt es in Bern Apotheker-Lehrgänge. Nach der Gründung der Universität Bern 1834 können angehende Apotheker Vorlesungen in Botanik, Pharmazie und Chemie besuchen und ein kantonales Patent erwerben. Die Gründung der Berner Staatsapotheke 1834 förderte die Entwicklung einer systematischen pharmazeutischen Ausbildung. Eine Schlüsselfigur ist Friedrich August Flückiger, der 1860 Leiter der Staatsapotheke und Dozent für Pharmazie wird. Flückiger ist ein international vernetzter Forscher, der mehrere Standardwerke verfasst und Bern zu einem wichtigen Ausbildungsort für Pharmazie macht. Die Sammlung wächst In Flückigers Zeit beginnen auch die Anfänge der pharmakognostischen Sammlung. Zunächst nutzt er seine private Sammlung als Lehrmaterial. Später tritt er sie unentgeltlich an den Berner Staat ab und ermöglicht den Ankauf der «China-Sammlung» eines britischen Botanikers. Die Sammlung wird schnell zu einem zentralen Pfeiler der pharmazeutischen Ausbildung. Doch ein Problem bleibt: die Unterbringung. Zunächst in der Anatomie, ab 1867 in der Staatsapotheke. Nach Flückigers Weggang nach Strassburg fordert sein Nachfolger Paul Perrenoud mehr Platz und Pflege für die Sammlung. Blütezeit unter Alexander Tschirch 1890 erfolgt die Trennung von Staatsapotheke und Pharmazeutischem Institut. Alexander Tschirch übernimmt die Leitung und prägt die Pharmakognosie massgeblich. Unter ihm erhält das Institut neue Räumlichkeiten in der «alten Kavalleriekaserne» – endlich genug Platz für die Sammlung. Auf 100 Quadratmetern sind in 37 Schränken Drogen aus aller Welt ausgestellt. Tschirch nennt sie stolz das «grosse Drogenmuseum». Gerahmt wird es von einer «exotisierenden» Ausstellung von Verpackungen, Instrumenten, Gefässen und Pflanzen, die die Herkunft der Objekte aus nahezu allen bekannten, von Bern weit entfernten Regionen der Welt betonen. Die Sammlung dient nicht nur der Repräsentation, sondern bleibt ein wichtiges Lehrmittel. Tschirch erweitert sie kontinuierlich, oft über Lieferanten wie die Dresdner Drogeriewarenhandlung Gehe & Cie. Niedergang und Rettung 1931 bezieht das Institut ein neues Gebäude, und die Sammlung erhält einen eigenen Raum. Doch nach Tschirchs Rücktritt 1933 und seinem Tod 1939 verliert sie an Bedeutung. Die pharmazeutische Ausbildung wandelt sich: Apotheker werden nicht mehr als Produzenten, sondern als Berater ausgebildet. Die Pharmakognosie verliert ihren Status als «Königsdisziplin».1962 muss die Sammlung der Bibliothek weichen, 1979 folgt ein weiterer Umzug, bei dem viele Objekte verloren gehen. 1996 schliesst der Berner Regierungsrat das Pharmazeutische Institut, und das Institut für Medizingeschichte übernimmt die Sammlung. Neubeginn im 21. Jahrhundert Von den einst bis zu 60'000 Objekten ist heute nur noch ein Bruchteil erhalten. Doch der Kern der Sammlung kann gerettet werden. Zwischen 2007 und 2009 inventarisieren der Pharmazeut François Ledermann und Manfred Fankhauser die Sammlung neu. Sie identifizieren die Drogen, vergeben Inventarnummern und dokumentieren die geografische Herkunft. Heute ist die Sammlung online durchsuchbar, und die Objekte lassen sich leicht auffinden. Zukunftsperspektiven Seit 2020 kann an der Universität Bern wieder das vollständige pharmazeutische Curriculum absolviert werden. Damit steigen die Chancen, dass historische Drogen wie das Berner Opium wieder stärker in die Lehre einbezogen werden – nicht mehr als zentraler Pfeiler, aber als wertvolle Zeugnisse der Fachgeschichte.