
Die Seidenbandsammlung Seiler
Die Seidenbandindustrie – das Weben von seidenen Bändern, auch «Posamenterei» genannt – hat die Kultur- und Wirtschaftsgeschichte der Region Basel seit dem 18. bis ins frühe 20. Jahrhundert wesentlich geprägt. Die wundervollen, farbenprächtigen Luxusbänder waren als Schmuck von modischen Damenroben und Hüten international gefragt. Die Anfänge der Basler chemischen Industrie gehen auf die Produktion von künstlichen Farbstoffen zum Färben der Seidenbänder zurück. Die Bandfirma Seiler & Co. AG (1872-1974) Im Jahr 1974 musste die zweitletzten Bandfabrik im Kanton Basel-Landschaft ihren Betrieb einstellen: die Firma Seiler & Co. AG. Sie hatte ihren Hauptsitz bis 1959 in Basel an der St Alban-Vorstadt 80, später dann in der Fabrik in Gelterkinden (BL). Deren Standort im unteren Dorfteil und ihre Farbe gaben ihr den Namen «untere» oder «gelbe Fabrik». Aus zolltechnischen Gründen erstellte die Firma Seiler im Jahr 1894 in Deutschland eine zweite Bandfabrik. Diese lag in Grenzach (am sogenannten «Hörnli»), bloss einige hundert Meter jenseits der Grenze. In den Fabriken standen vor allem lochkartengesteuerte Jacquard-Webstühle zur Herstellung von aufwendig gemusterten Seidenbändern. In den umliegenden Dörfern webten Heimarbeiterinnen und Heimarbeiter einfachere Bänder, wie uni- oder gestreifte Bänder. Nach der Schliessung der Firma Seiler & Co. AG konnte das Kantonsmuseum in Liestal (das heutige Museum.BL) deren umfangreichen und spannenden Firmennachlass erwerben. Dieser Nachlass ist bedeutend, da er die Bandproduktion über gut 100 Jahre nahezu lückenlos dokumentiert. Zwischen 1872 und 1974 hat die Bandfirma Seiler & Co. AG mehr als 35‘000 verschiedene Seidenbänder in grossen Mengen hergestellt, jedes in mehreren Farbvarianten. Die Firma hat vergleichsweise sehr modische Bänder produziert. Die Belegsammlung umfasst neben den losen Bändern rund tausend Musterbücher sowie Schachteln mit Produktionsunterlagen, vom ersten gemalten Entwurf über technische Unterlagen bis hin zu den fertig gewebten Bändern und aufgeklebten Bandabschnitten. Die Seidenbandsammlung Seiler im Kulturgüterportal Das Kulturgüterportal zeigt eine Auswahl der vielfältigen und kunstvoll gewobenen und bedruckten Seidenbänder. Bänder in verschiedenen Farbstellungen wurden zu sogenannten Liassen («Band-Bündeln») zusammengefasst und so aufbewahrt (Link). Die Bänder zeigen die Entwicklung der Mode seit Mitte des 19. Jahrhunderts. An den Bändern lassen sich auch die jeweils aktuellen Motive und Stile ablesen. Politische und kulturelle Ereignisse spiegeln sich darin genauso wider wie technische Neuerungen bei den Webmaterialien, den Webstühlen und im Druckbereich. Die Modeskizzen (Link) und Dessinentwürfe (Link) von Dessinateur Emil Himmelsbach geben Einblick in die Pariser Modewelt. Er besuchte dort regelmässig Pferderennen und Automobilausstellungen, um sich vom modisch gekleideten Publikum inspirieren zu lassen. Feinste Seidenbilder (Link), in Jacquard-Technik gewoben, sind ebenso Teil der Seidenbandsammlung Seiler wie die dazugehörigen Webpatronen (Link). Modefotos (Link) aus dem Firmennachlass zeigen die üppige Verwendung des Bandes am Damenkleid. Unter den zahlreichen Musterbüchern (Link) gibt es ein besonderes Highlight: Die 101 Produktionsbücher (Grünes Musterbuch) (Link) mit eingeklebten Bandmustern aus den Jahren 1872-1974 wurden digitalisiert. Man kann diese nun im Kulturgüterportal Seite für Seite digital durchblättern und so die Entwicklung der Mode am Beispiel Band mitverfolgen: von den bis 30 cm breiten, reinseidenen, prunkvollen Schmuckbändern aus der Zeit um 1900 bis zu den sowohl webtechnisch, als auch vom Material her eher dürftigen Gebrauchsbändern der frühen 1970er Jahre. Seidenbänder ausgestellt im Museum In der Dauerausstellung (Link) «Seidenband. Kapital, Kunst & Krise» im Museum.BL in Liestal taucht man in die bezaubernde Welt der Seidenbänder ein und erfährt mehr zu den Hintergründen der Seidenbandweberei in Fabrik- und Heimarbeit, dem Haupterwerbszweig der Region. Die Geschäftsakten der Firma Seiler & Co. AG befinden sich im Staatsarchiv Basel-Landschaft in Liestal. In Kombination damit ist der Nachlass ein einzigartiger Fundus für die aktuelle Forschung zur Design- und Technikgeschichte, zur Industrie- und Modegeschichte und insbesondere auch zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte.